November 2021
Text: Michael Müllner; Fotos: Andreas Keller
Am 1. Oktober 2021 eröffnete mit der EXPO Dubai 2020 die erste Weltausstellung im mittleren Osten. Erwartet werden 25 Millionen Besucher*innen aus aller Welt. Rund 50.000 Angestellte und weitere 30.000 Freiwillige tragen dazu bei, dass sich 192 Ländervertretungen bestmöglich präsentieren. Unter dem Motto „Connecting Minds, creating the future“ setzt sich die Expo zum Ziel, die nachhaltigste Weltausstellung aller Zeiten zu werden. Zugegeben – ein ambitioniertes Ziel.
Um dieses Ziel erreichen zu können, wurden unterschiedliche Maßnahmen in den Bereichen erneuerbare Energie, Reduzierung des Wasserverbrauchs, Minimierung des Kohlenstoff-Fußabdrucks sowie Reduzierung von Abfall, ergriffen. Und immer wieder taucht er auf, der Begriff der „Nachhaltigkeit“.
Heute einer der am häufigsten strapazierten Begriffe, war dieser Terminus noch vor wenigen Jahren eher den Forst- und Landwirt*innen bekannt. Ganz einfach: weniger Bäume fällen, als nachwachsen können oder in der Metaebene: verantwortungsbewusst in Hinblick auf die zukünftigen Generationen zu handeln. Und dann – eine ganze Expo, gewidmet dem Thema Sustainability.
Im chinesischen Pavillon wurde lediglich für das Stiegenhaus mehr Beton verbaut, als Österreich im gesamten Pavillon eingesetzt hat, die rapide verschwindenden Regenwälder Brasiliens finden sich digital verewigt, und die Schweizer Bergwelt wird mit viel Nebel und Lichtspielen gefeiert. Österreich hat sich für einen anderen Weg entschieden. Lehm statt hochauflösender Screens, Kühlung durch die natürliche Thermik der Räume, statt Hochleistungsklimaanlagen. Von Beginn an war klar, dass wir (Generalplaner Querkraft Architekten, Ausstellungsteam: büro wien und ARS Electronica Solutions, Corporate Design: bleed) einen mutigen Weg einschlagen – wir schaffen ein Alleinstellungsmerkmal.
Nachhaltigkeit ist ein Schlagwort über das man tausende Geschichten erzählen kann.
Aber ist es nicht anachronistisch, in einer Region, die gerade darüber nachdenkt, gigantische Glaskuppeln über den Metropolen aufzubauen, um das Klima künstlich zu regulieren, die jahrtausendealte Bautradition der arabischen Windtürme vor den Vorhang zu holen. Im Widerschein zum Einsatz von zehntausenden Projektoren, Drohnen, KIs, Nebelmaschinen und Screens, Botschaften in den Lehm des Pavillons zu ritzen und sich dazu einer eigens entwickelten Piktogramm-Schrift zu bedienen? Wir glauben das nicht! Ganz im Gegenteil, die Besucher·innen der Expo sollen die Welt in ihrer Vielfalt erleben, das kann der österreichische Pavillon abbilden, er ist schlicht ganz anders.
Nachhaltigkeit ist ein Schlagwort über das man tausende Geschichten erzählen kann. Kaum ein Konsumgüteranbieter, der Nachhaltigkeit nicht als Markenwert betont. Aber was passiert nach den sechs Expo-Monaten mit all diesen wunderbaren Bauwerken? Werden sie so, wie der österreichische Pavillon, abgebaut und wiederverwendet oder enden sie als Bauschutt, um neue Inseln am Golf aufzuschütten? Wohin gehen die tausend technischen Einbauten? Eine Diskussion sei erlaubt. Ist es ausreichend, das Thema Nachhaltigkeit technologisch herausragend zu dramatisieren oder darf man den Wahrheitsbeweis verlangen, die Botschaft auch ernst zu nehmen? Österreich hat den zweiten Weg gewählt.