Februar 2021
Text: Benjamin Berggold; Fotos: querkraft, Patricia Bagienski, bleed
Vom 1. Oktober 2021 bis zum 31. März 2022 findet in Dubai, der größten Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), eine eingetragene „große" Weltausstellung statt. COVID-19 bedingt ein Jahr später als ursprünglich gedacht – trotzdem unter dem Namen EXPO 2020. Österreich wird bei dieser EXPO – wie auch etwa 180 weitere Länder – dabei sein und sich den erwarteten 25 Millionen Besucher*innen mit einem eigenen Pavillon präsentieren.
In der Wettbewerbsausschreibung für den österreichischen Beitrag hat sich das Wiener Architekturbüro querkraft durchsetzen können. Für die inhaltliche Bespielung wurden wir vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und der Wirtschaftskammer Österreich beauftragt. Im Gespräch mit DI Gerd Erhartt (Geschäftsführer querkraft) bekommen wir einen Einblick in den bisherigen Projektverlauf seitens querkraft.
Welche Projekte (neben der EXPO 2020) zählen zu euren größten Projekten? Was war die größte Herausforderung? Auf welches Projekt seid ihr besonders stolz?
Ein wichtiger Schritt in unserer Entwicklung war der Gewinn des Wettbewerbes für das ADIDAS Brandcenter in Herzogenaurach. Das Museum „Liaunig“ in Neuhaus bei Lavamünd ist sicher eines der wichtigsten Projekte für uns. In mehreren Schritten ist hier das größte private Kunstmuseum in Österreich entstanden. Mittlerweile steht dieses schon unter Denkmalschutz. Aktuell sind der erste innerstädtische IKEA in Wien, ohne einen einzigen Parkplatz und stattdessen nur öffentlich angebunden und der EXPO Pavillon in Dubai zwei Projekte, an denen sehr viel Herzblut hängt.
Wie war der Vergabeprozess für die EXPO 2020 aus deiner Sicht? Gegen wie viele Mitbewerber*innen habt ihr euch durchgesetzt?
Es war ein internationaler 2-stufiger Wettbewerb. In der 1. Stufe waren 42 Teilnehmer*innen und in der 2. Stufe acht Teilnehmer*innen gegen die wir uns durchsetzen konnten. Ausgeschrieben war eine Generalplanerleistung für die Architektur und die Ausstellung. Zu erarbeiten war also ein Gesamtkonzept.
Was sind deiner Meinung nach die Besonderheiten des EXPO Pavillons 2020?
Das erste Mal findet eine EXPO in einem arabischen Land statt. Für uns ist der Kontext immer ein wichtiger Bezugspunkt. Die Besonderheit des Pavillons besteht darin, dass wir Technologien traditioneller arabischer Architektur mit österreichischen Hightech Engineering zu einer zeitgemäßen Architektursprache verbinden. Ein Element der arabischen Architektur sind die so genannten Windtürme (Bagdir). Durch natürliche Konvektion werden die Häuser gekühlt. Diese Windtürme haben wir in ein System von unterschiedlich hohen Kegeln übersetzt.
Trotz Dubais hoher Außentemperaturen bleibt der Pavillon damit angenehm temperiert – und das durch maßvollen Einsatz konventioneller Klimatisierung. Er verbraucht dadurch 70 % weniger Energie als vergleichbare, konventionell klimatisierte EXPO-Pavillons. Der Pavillon hat einen durchdachten Grundriss mit einer Unterteilung in eine offene Zone und eine kontrollierte Zone, in der das Klima über unterirdische, gekühlte Zuluft und das kontrollierte Öffnen und Schließen von Türen und Kegeldächern energiesparend gesteuert werden kann.
In den Nachtstunden nehmen die Wände aus Beton und Lehm die Kühle auf und geben diese im Laufe des Tages in die Innenräume ab. Zusätzlich dienen speziell bepflanzte Kegel, ein dicht begrünter Innenhof und Wasserverneblungen der natürlichen Klimaregulierung. Im Pavillon selbst spielen die ungewöhnlichen, „lebendigen“ Räume mit überraschenden Raumsequenzen und Lichteinfällen, sodass Besucher*innen automatisch innehalten, Eindrücke sammeln und Österreich mit allen Sinnen erleben: die grüne, vielfältige Landschaft, den innovativen Wirtschaftsstandort, die Kulinarik und Gastfreundschaft, den attraktiven Lebensraum und die Vermittlerposition im Herzen Europas.
Welche Bedeutung hat der EXPO Pavillon in Bezug auf Nachhaltigkeit/Raumklima/Baumaterial?
Die Länderpavillons müssen nach der EXPO wieder abgebaut werden. Am nachhaltigsten ist es ein Gebäude möglichst lange zu nutzen. Deswegen haben wir einen demontierbaren modularen Pavillon entwickelt, der wie ein Lego-Baukasten funktioniert und an einem anderen Ort, der neuen Nutzung angepasst, wieder aufgebaut werden kann. Derzeit sind wir in intensiven Gesprächen mit verschiedenen Organisationen für eine Nachnutzung.
Das Material Beton für die Schalenkonstruktion hat sich unter Betrachtung der verschiedenen Parameter (Bauphysik, Tragfähigkeit, Lebensdauer, Wirtschaftlichkeit, Genehmigungsfähigkeit, usw.) als das geeignetste erwiesen. Ein angenehmes Raumklima hängt von den unterschiedlichsten Faktoren wie Luftbewegung, Licht und Schatten, Luftfeuchtigkeit, Aktivität der Personen, Erwartungshaltungen und nicht nur von der Temperatur ab. Das Raumklima wird in seiner Gesamtheit betrachtet.
Was würdest du im Nachhinein an der Planung und der Umsetzung des EXPO Pavillons anders machen?
Eine EXPO ist in der Planung und der Umsetzung schon eine große Herausforderung. Man muss sich in kürzester Zeit in einer anderen Kultur, in einem anderen Land zurechtfinden. Das gesamte EXPO-Team, vom Auftraggeber, der Projektsteuerung bis zum dem Planungsteam mit allen Konsulent*innen, hat sehr konstruktiv zusammengearbeitet und gut harmoniert, da habe ich gar keine Verbesserungswünsche.
Im Wettbewerb sind wir die Aufgabenstellung hauptsächlich von Seiten der Architektur angegangen. Wir hatten keine/n Partner*in für die inhaltliche Bespielung on board. Das büro wien ist erst zu einem viel späteren Zeitpunkt dazu gestoßen. Da hatten wir schon sehr viele Runden gedreht. Sollten wir noch einmal bei einem EXPO-Wettbewerb antreten, würden wir gleich eine/n professionelle/n Partner*in suchen. Zum Beispiel das büro wien.
Wie würdest du die Zusammenarbeit mit büro wien beschreiben?
Bei allen unseren Partner*innen schätzen wir, abgesehen von ihrer Fachkompetenz, die Fähigkeit über die unmittelbare Aufgabe hinauszudenken. Das war gerade bei dieser Aufgabe wichtig. Die EXPO ist ein Aufmerksamkeitswettbewerb zwischen den Nationen. Für ein so kleines Land wie Österreich mit einem entsprechend engen Budget ist es nicht leicht in diesem Wettkampf zu bestehen. Umso mehr braucht es ein ganz klares Konzept. In der Kreation, Ausarbeitung und präzisen Formulierung des Erlebnisses im österreichischen Pavillon, war büro wien ein wichtiger Impulsgeber und Diskussionspartner. Darüber hinaus ist die Vernetzung in der Szene ein großes Asset. Ohne büro wien wäre die Zusammenarbeit mit Ars Electronica Solutions nicht zustande gekommen.